Adventswochenende in Sirnach. Der Schnee von letzter Woche sieht etwas verregnet und unerfreulich aus, das Wetter tut das Seinige dazu. Doch im Dreitannensaal herrscht gute Laune: Die szenischen Proben für das «weisse Rössl» der Operettengesellschaft Sirnach, das am 15. Januar Premiere feiern wird, sind in vollem Gang. Die Stimmung ist hochkonzentriert, aber nicht aufgeladen oder gespannt. Szenen werden aus den Einzelproben von Solisten, Chor und Ballett zusammen gesetzt, Korrekturen besprochen.
Zufriedener Regisseur
Einer, der bei solchen Produktionen meist vor Anspannung oder Ungeduld gerne platzt, ist der Regisseur. Dies scheint bei Giuseppe Spina nicht der Fall zu sein: Zwar hochkonzentriert verfolgt er das Geschehen auf der Bühne, doch seine Körpersprache drückt Gelassenheit aus, Souveränität. Und: Er lacht mit. Einer, der jeden Dialogwitz des Textbuches im Schlaf aufsagen kann, freut sich an jedem gelungenen Wortspiel, an jedem Slapstick, als höre er alles das erste Mal. Ein Regisseur, zufrieden und im Reinen.
Schauspieler und Regisseur
Spina kennt Sirnach und das Operettenensemble bereits vom «Ball im Savoy»: Dort wirkte er als Mustafa Bey mit. Da die Verantwortlichen der Operettengesellschaft wussten, dass Spina auch immer wieder Regie führt, fragten sie ihn für die Inszenierung des «Weissen Rössls» an. «Das hat mich unheimlich gefreut und geehrt», erzählt Spina. Aufgewachsen in Romanshorn absolvierte Spina die Scuola Teatro Dimitri und ist mittlerweile Co-Leiter der Frauenfelder Theaterwerkstatt Gleis 5.
Gesellschaftliche Umbrüche
Spina bezeichnet sich selbst als waschechten Secondo und wo man hierzulande mit der Peter Alexander-Verfilmung des «Weissen Rössls» aufgewachsen ist, prägten Helden wie Bud Spencer und Massimo Troisi die Jugend. Eine gute Chance, mit freiem Blick an die Operette heranzugehen, deren Stoff und einzelne Lieder Spina jedoch von der Bühne her bereits bekannt waren.
Inhaltlich orientiert sich der Regisseur am Libretto der Urfassung von Hans Müller und Eric Charell. «Rasch wurde mir aber klar, dass ich das Stück bearbeiten und aus der Jahrhundertwende, in der es spielt, in die 1960er Jahre verlegen wollte, eine Zeit, in der ebenfalls ein grösserer gesellschaftlicher Umbruch in der Luft lag», erläutert Spina seinen Ansatz.
Mit Talent und Leidenschaft
So wurde z. Bsp. aus dem Berliner Fabrikanten eine Fabrikantin. «Im Allgemeinen habe ich mich vertieft mit den einzelnen Figuren und deren Schicksalen auseinandergesetzt», so Spina weiter. Denn es ist ihm wichtig, dass sich Zuschauerinnen und Zuschauer der 2020er Jahre mit der Handlung und den Akteuren identifizieren können.
Ja, und dann gibt es noch Corona, eine Herausforderung sondergleichen. «Wir sind alle sehr dankbar, dass wir arbeiten können», meint Spina. Ensemble, Chor und Orchester, wie auch der gesamte Staff ist entweder geimpft oder genesen, dies bringt einen Ticken mehr Planbarkeit und Sicherheit in die Arbeit. «Wir kommen gut voran und ich bin jeden Tag mit Freude an der Arbeit und geniesse das Talent und die Leidenschaft, mit der alle am Werk sind.»