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Jonschwil
23.06.2023
26.06.2023 11:15 Uhr

Das grosse Abschiedsgespräch mit Stefan Frei

Stefan Frei im übervollen Archivkeller des Gemeindehauses. Ende Juni tritt er nach 22-jähriger Amtszeit zurück. Bild: Wil24
Ende Juni wird Stefan Frei seinen Posten als Gemeindepräsident von Jonschwil räumen – nach 22 Jahren Schaffen. Im Gespräch mit den Fürstenländer 24er Plattformen gibt der gebürtige Appenzeller einen persönlichen Einblick in sein Leben.

Stefan Frei, 17 Entweder-oder-Fragen haben wir für Sie vorbereitet, drei Joker dürfen Sie ziehen. Lassen Sie uns gleich mit einer kleiner Aufwärmfrage beginnen: Wandern oder Joggen?

Das ist wohl kein Geheimnis mehr: Ich persönlich liebe wandern, da ich gerne die Natur geniesse und neue Orte entdecke. Als neuer Präsident der St.Galler Wanderwege wäre es ebenfalls komisch, wenn ich die Frage anders beantworten würde. Früher bin ich viel gejoggt, heute lassen es meine Knie nicht mehr zu. Darum: Lieber Kampfwandern und mit dem Bähnli wieder runter.

Auch wenn es an beiden Orten kein Bähnli runter hat: Matterhorn oder Mount Everest?

Beide Berge sind beeindruckend. Als Schweizer Gemeindepräsident wähle ich das Matterhorn. Es ist ein Symbol unserer Bergwelt und unserer Kultur. Ich war 1994 auf der Spitze, bestiegen über den Zmutt-Grat bei schwierigen Verhältnissen mit Wassereis – das war eine Grenz-Erfahrung. Der Mount Everest wäre mir zwei Schuhnummern zu gross, ausserdem gefällt mir die aktuelle Art des Everest-Tourismus gar nicht. Mein Ziel ist es künftig, zu klettern, aber nicht mehr so hohe Berge zu besteigen.

Letzte Wanderfrage: Atacama Wüste oder Wolzenalp?

Ich war in der Nähe der Atacama-Wüste, auf dem Tunupa Vulkan. Südamerika hat eine sehr beeindruckende Natur und Kultur, was für Ferienreisen interessant ist. Ich bin aber ebenso von der grünen und felsigen Schönheit unserer Alpenlandschaft fasziniert. Daher wähle ich die Wolzenalp.

Wenn Sie nicht gerade auf dem Berg sind: Wo finden wir Sie im Znüni? Zu Hause auf der Terrasse oder beim Schwarzenbacher Gwerblerstamm?

Zu Hause auf der Terrasse sicher nicht. Darum: Gwerblerstamm, wenn es meine Agenda zulässt: Da hat man die Gelegenheit, mit anderen Menschen ins Gespräch zu kommen und sich auszutauschen. Vielleicht müsste ich aber vorher das Aufnahmeritual klären.

Und was trinken Sie? Thurbobräu oder Jonschwiler Dornfelder?

Nun muss ich so früh bereits den ersten Joker ziehen: Ich als Appenzeller behaupte: Es geht nichts über ein Quöllfrisch. Kennen Sie den Witz? Die Bierbrauer hatten ihre Hauptversammlung. Der Chef von Schützengarten bestellte ein Schützengarten, jener von Feldschlösschen ein Feldschlösschen und jener von Thurbobräu ein Thurbobräu. Nur Karl Locher von der Appenzeller Brauerei bestellte sich ein Cola. Sehr zur Verwunderung seiner Kollegen. Darauf angesprochen meinte Locher: «Wenn ihr schon kein richtiges Bier trinkt, dann nehme ich auch keins.»

Weiter geht es mit Musik: Openair oder Konzerthalle?

Openair ist in der Geschichte der Gemeinde Jonschwil ein ganz schwieriges Thema. Es waren grossartige Feste, es ging aber auch vieles schief – samt Drohungen gegen meine Familie. Darum sage ich lieber: z.B. ein Freiluftkonzert mit André Rieu. Im Auto höre ich oft volkstümliche Musik. Ich habe früher Klavier gelernt und auch  Kirchenorgel gespielt. Das habe ich aber schon etwas verlernt. Ich müsste sehr viel üben, um das wieder zu können

Noch eine musikalische Frage: Metallica oder «Stubete Gäng»?

Auch wenn ich einen vielfältigen Musikgeschmack habe: Metallica geht nun wirklich nicht. Dann schon viel lieber neue Volksmusik wie die «Stubete Gang», bzw. Appenzeller Streichmusik.

Das Warmlaufen ist fertig. Wir sind bei der Gemeindepolitik angelangt: Jonschwil oder Schwarzenbach?

Das ist eine heikle Frage, hier ziehe ich meinen zweiten Joker. Mir gefällt es in Schwarzenbach sehr gut, aber ich mag auch den Wildberg und Bettenau. Kurzum: Mir gefällt die Gemeinde – nicht umsonst war ich über zwei Jahrzehnte im Amt!

Ein neues Gemeindehaus oder neue Turnhallen für Jonschwil?

Das neue Gemeindehaus hat schlicht die höhere Priorität. Wir sind mit den vorhandenen Räumen komplett am Anschlag und wir können uns kaum noch bewegen. Die Leitungen sind veraltet, wir heizen noch mit Öl, das Archiv ist nagelvoll und die Prozesse werden zunehmend schwieriger. Mein Wunsch wäre, dass im Jahr 2025 die Abstimmung für ein neues Gemeindehaus kommt und entweder 2026 oder 2027 gebaut wird. Die neue Turnhalle kommt dann später. Sicher gibt es auch hier Bedarf, aber ein neues Gemeindehaus würde den Bedürfnissen der Gemeinde als zentraler Treffpunkt und Verwaltungsort besser gerecht werden.

Mietwohnungen oder Eigenheimquartier?

Für mich persönlich: Eigenheimquartier. Ich wohne in einem wunderschönen, 200-jährigen Haus und weiss, dass ich privilegiert bin. Für unsere Gemeinde ist eine ausgewogene Mischung wünschenswert, um den verschiedenen Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürgern gerecht zu werden. Daher haben sowohl Mietwohnungen als auch Eigenheimquartiere ihre Berechtigung.

Gemeindeautonomie oder Zentralismus?

Unser St.Galler Zentralismus ist ein Graus! Ein Beispiel gefällig? Wir haben zehn kantonale Ämter, die Revisionen bei den Gemeinden durchführen und uns permanent kontrollieren. Der Kanton überprüft alles auf Gemeindeebene. Obwohl wir eine Geschäftsprüfungskommission haben! Das ist eine unnötige Aufblähung des Staatsapparates. Ich glaube an die Stärke der regionalen Identität und die Eigenheiten der Gemeinden, daher unterstütze ich die Gemeindeautonomie.

Windkraft oder Atomstrom?

Meine persönliche Meinung ist, dass wir bei den erneuerbaren Energien noch enorm viel herausholen können. Gleichzeitig werden wir wohl nicht vollständig auf Atomstrom verzichten können. Bei der grünen Energie gibt es in Bezug auf die Bewilligungsverfahren ebenfalls noch viel zu tun. Zu viele spannenden Projekte werden von einseitigen Interessenvertretern blockiert.

Entwicklungshilfe oder Berghilfe?

Mit dem sozialen Projekt der Stiftung "apoyo" in Peru schlage ich zwei Fliegen mit einer Klappe. Hier qualifizieren wir junge Menschen in den Bergen auf dem Weg in eine eigenständige berufliche Zukunft und verbessern die Infrastruktur des Dorfes. Das Projekt gibt es seit 33 Jahren, geführt von meiner Cousine. Ich werde es komplett ehrenamtlich fortsetzen. Der Zeitaufwand soll 50% betragen, das ist schon immens. Extra dafür lerne ich seit anderthalb Jahren auch Spanisch. Leider fällt das Lernen nicht mehr so leicht wie früher.

Und nun wieder einige gemütlichere Abschlussfragen: Frühaufsteher oder Nachteule?

Als Gemeindepräsident war es wichtig, flexibel zu sein und zu verschiedenen Zeiten aktiv zu sein. Ich würde mich als Frühaufsteher bezeichnen, um den Tag optimal zu nutzen. Auch im Ruhestand.

Sind Sie ein ALDI oder Lidl-Kind?

Stefan Frei: (lacht) Ist ja logisch – ein ALDI-Senior. ALDI stand und steht ganz weit oben auf meiner Hitliste. Mit der Ansiedlung des Hauptsitzes konnten wir bedeutende Steuerkraft und Arbeitsplätze in die Gemeinde holen. Ausserdem unterstützte uns das Unternehmen bei verschiedensten anderen Gemeindeaktivitäten. Und mit dem Ruhestand finde ich vielleicht auch wieder mal die Gelegenheit, selbst einzukaufen.

Appenzeller oder Emmentaler?

In unserer Gemeinde haben wir einen sehr grossen Käseproduktions- und Käsehandelsbetrieb mit rund 150 Mitarbeitenden. Ich persönlich bevorzuge eindeutig den Appenzeller aufgrund seines würzigen Geschmacks.

Abschlussfrage zum König Fussball: FC Wil 1900 oder FC St.Gallen?

Letzte Frage, letzter Joker. Ich bin kein grosser Fussballfan, aber wenn ich ein Fussballteam unterstütze, dann den FC Niederstetten. Dieser Verein hat in den letzten Jahren viel Schönes in unserer Gemeinde realisiert. Viele seiner Partys hatten Volksfestcharakter – so etwas braucht ein Dorf.

Recht herzlichen Dank Stefan Frei für das Gespräch und viel Gfroits im Ruhestand.

David Hugi, Wil24
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