Am Hofplatz erinnert heute das sogenannte Hauptmannhaus an die einstige Präsenz der Eidgenossenschaft in der St. Galler Fürstabtei. Sie und die Eidgenossenschaft hatten im Mittelalter ein Verteidigungsbündnis geschlossen. Im Zwei-Jahres-Turnus wurde ein neuer sogenannter Schirmhauptmann nach Wil entsandt.
1528 wurde mit Jakob Frei ein zwinglianischer Zürcher als Verbindungsperson delegiert. Er sollte um die Zeit der Reformation Zürichs Einfluss in politischen und in kirchlichen Dingen in der Ostschweiz erhöhen. Auch der Reformator Zwingli selber warb damals in Wil für die revidierte Auslegung des Christentums.
Reformation griff um sich
Manche Wiler begannen heimlich mit der neuen Lehre zu sympathisieren. Der damalige Fürstabt Franz Gaisberg musste machtlos zusehen, wie sich unter dem Einfluss Zürichs im Fürstenland immer mehr Menschen zum reformierten Glauben bekannten.
Als kranker Mann zog sich Gaisberg schliesslich ins Kloster Mariaberg nach Rorschach zurück, wo er später starb. Die Mönche ernannten Kilian Germann in Rapperswil zum neuen Abt. Der Lütisburger hatte zuvor als äbtischer Amtsstatthalter in Wil gewirkt.
Die Zürcher waren mit seiner Wahl nicht einverstanden. Sie wollten ihn unter einem Vorwand gefangen nehmen. Zürich hatte gehofft, in der Ostschweiz die Oberhand zu gewinnen.
Besetzung Wils
Als Folge der um sich greifenden Reformation, wurde in St. Gallen das Kloster aufgehoben. Die konfessionellen Spannungen in der Schweiz nahmen zu, sie mündeten in bewaffneten Auseinandersetzungen.
Während ein grosser Teil der reformierten Truppen bei Kappel am Albis den Kämpfern der katholischen Orte gegenüberstand, schickte Zürich ein kleineres Truppenkontingent in die Ostschweiz, um sie zu besetzen. Eine Zürcher Truppe von 400 Soldaten, verstärkt mit 800 Thurgauern, zog gegen Wil und nahm die Stadt am 9. Juni 1529 ohne Widerstand ein.
Während der Wiler Rat aus acht Katholiken und acht Evangelischen bestand, wurde ein neues Gremium aus ausschliesslich Anhängern des neuen Glaubens eingesetzt. Die Wiler Stadtbevölkerung wechselte unter Druck die Konfession.
Wende bei der Reformation
Beim zweiten Kappeler Krieg siegten die katholischen über die reformierten Orte. In der Folge wurde ein Landfriedensvertrag geschlossen, der das Verhältnis zwischen den Konfessionen regelte. Als Folge davon konnte die St. Galler Fürstabtei wiederbelebt werden.
In der Benediktinerabtei Mehrerau bei Bregenz war 1530 Diethelm Blarer von Wartensee im Exil als neuer Fürstabt des Klosters St. Gallen gewählt worden. Sein Vorgänger Germann war zuvor bei einem Hochwasser ertrunken.
Auftrag zum Ausbau des Hofs
Am 12. Dezember 1531 zog Blarer hoch zu Ross in Wil ein. Die Bevölkerung huldigte ihm und gelobte ihm die Treue. Die Stadt kehrte zum alten Glauben zurück.
Fürstabt Blarer gab den Ausbau seiner Residenz, des Hofs zu Wil, in Auftrag. Unter anderem wurde 1540 eine Kapelle für die Dienerschaft gebaut. Ebenso der Gebäudeteil an der Hofbergstrasse, der Roter Gatter genannt wird, weil er einst mit einem entsprechenden Tor versehen war. Er wurde unter anderem als Gaststätte sowie als Pilgerherberge genutzt.
Am 25. Juli 1540 wurde die neue Kapelle feierlich eingeweiht. Die Kirchweihe wurde bis zum Jahre 1722 jährlich als Hofchilbi begangen. Es folgten wirtschaftlich schwierige Zeiten, in der Folge wurde der Traditionsanlass aufgegeben.
1972 entschloss sich die Hofbrauerei Wil, die Hofchilbi wieder aufleben zu lassen. Seither findet dieses Fest alljährlich statt.