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Kanton SG
18.02.2024
20.02.2024 07:39 Uhr

"Kosten für Mittelstand steigen, niemand tut etwas dagegen"

Bild: uzwil24.ch
Kantonsratskandidat Yves Beutler, Präsident der FDP Uzwil, setzt sich - wie er in diesem Interview betont - schwerpunktmässig für die Entlastung des Mittelstands ein. Dabei will er das Kostenproblem an der Ursache anpacken, fragt sich aber auch, weshalb überschüssige «Gewinne» der Gemeinden und des Kantons nicht wieder an die Steuerzahlenden zurückfliessen.

Yves Beutler, warum setzen Sie sich schwerpunktmässig für die Entlastung des Mittelstands ein?
Weil wir ein Kostenproblem haben und ein starker Mittelstand für Wohlstand, Innovation und soziale Stabilität resp. den Zusammenhalt unserer Gesellschaft wichtig ist! Im internationalen Vergleich haben wir in der Schweiz besonders hohe Lebenshaltungskosten. Die stetig steigenden Krankenkassenprämien und die Kosten für Lebensmittel, Strom, Miete und Verkehr machen das Leben für den Mittelstand ungemütlicher. Seit mehreren Jahren schon gibt es keine Perspektive auf Entlastung und gleichzeitig kommen grosse finanzielle Herausforderungen auf uns zu.   

Sie fordern also keine Steuersenkung?
Doch, noch immer sind in vielen Gemeinden des Kantons St. Gallen die Steuerfüsse hoch. So auch in meiner Wohngemeinde Uzwil oder in einigen umliegenden Gemeinden. Nach den teils nicht-budgetierten hohen Überschüssen der vergangenen Jahre stellt sich zudem die Frage, ob zukünftig ein bestimmter Teil dieser nicht-budgetierten Überschüsse automatisch an die Steuerzahlenden zurückfliessen soll. Denn eigentlich handelt es sich hierbei ja um zu viel kassierte Steuern und Abgaben. Aber mit Steuersenkungen allein entlasten wir den Mittelstand nicht nachhaltig. 

Wie lässt sich der Mittelstand entlasten?
Wie gesagt, wir haben ein Kostenproblem. Nehmen wir das Beispiel der Krankenkassenprämien: Seit dem Jahr 2000 haben sich die mittleren Prämien pro Monat bei allen Altersklassen verdoppelt. Im gleichen Zeitraum sind die Löhne um rund 25% gestiegen. Wir alle haben also heute weniger Geld im Portemonnaie als früher. Gerade in Bezug auf den Krankenkassenprämienanstieg ist derzeit kein Ende in Sicht, denn das Bevölkerungswachstum, die Alterung der Bevölkerung, der technologische Fortschritt oder der zunehmende Wohlstand werden auch zukünftig dafür sorgen, dass die Gesundheitskosten und damit die Prämien tendenziell steigen werden. Wollen wir den Mittelstand langfristig und nachhaltig entlasten, führt kein Weg an den Kostentreibern des Gesundheitswesens vorbei.

Was könnten dann aus Ihrer Sicht konkrete Massnahmen sein?  
Wegen des Fachkräftemangels fallen aus meiner Sicht vorübergehend schon einige notwendige Massnahmen weg. Denke ich aber an die Medikamentenpreise, frage ich mich, weshalb man auf Bundesebene nicht mehr Wettbewerb für Medikamente, Hilfsmittel etc. zulässt. Die Eigenbeteiligung von Versicherten in Grenzkantonen könnte beispielsweise entlastet werden, indem Medikamente oder Hilfsmittel, welche vollständig zu Lasten der Grundversicherung vergütet werden, auch im Ausland gekauft werden können. Dies würde gleichzeitig auch die Krankenkassen entlasten. Ich bin davon überzeugt, dass es viele solcher Einsparpotenziale auf allen Ebenen gibt.

Wo sehen Sie sonst noch Handlungsbedarf?
Auch wenn man es nicht gerne hört: in der Bürokratie und in der Regulierung. Während den vergangenen Jahren wurde ein regelrechtes Bürokratie- und Regulierungsmonster erschaffen. Nehmen wir nochmals das Gesundheitswesen als Beispiel: Seit dem Jahr 2000 wurde das Krankenversicherungsgesetz über 50-mal geändert. Dabei ist es von 40 auf rund 80 Seiten angewachsen. Die dazugehörenden Verordnungen wurden ebenfalls mehr als 170-mal geändert. Es überrascht somit nicht, dass im selben Zeitraum die Dokumentationstätigkeit des Gesundheitspersonals angestiegen ist und das Gesundheitswesen mitunter am stärksten unter der Bürokratie leidet. Übrigens ist im gleichen Zeitraum der Personalbestand des Bundesamts für Gesundheit (BAG) um über 50% angestiegen. Nicht nur, aber auch deswegen steigen die Krankenkassenprämien!

Und was heisst das nun für den Kanton St. Gallen?
Wenn regulieren, dann intelligenter und zukunftsorientier als bisher! Es braucht wieder mehr Handlungsspielraum und Pragmatismus. Nehmen wir beispielsweise das Bauen: Ob wir wollen oder nicht, wir brauchen mehr Wohnraum und Infrastruktur, solange die Bevölkerung in der Schweiz so weiter wächst wie bisher. Auch das Bauen ist in den letzten Jahren komplexer und damit teurer geworden. Stetig steigender Aufwand für öffentliche Ausschreibungen, Denkmalschutz hier, Höhen- und Abstandregelungen da, juristische Abklärungen dort. Das verteuert die Immobilien resp. Mieten für Privatpersonen auf der einen und die Bauprojekte der öffentlichen Hand auf der anderen Seite, wie beispielsweise in Uzwil die Schulhaus- und Werkhofprojekte zeigen.

Worin liegt Ihrer Ansicht nach der Ursprung dieses "Bürokratie- und Regulierungsmonsters"?
Ich stelle einfach folgendes fest: Erstens, niemand fühlt sich für dieses Bürokratie- und Regulierungsmonster zuständig. Zweitens, der gute alte Schweizer Pragmatismus ist so weit abhandengekommen, dass mittlerweile alle auf eine hundertprozentige Erfüllung der Auflagen pochen. Drittens, und das stimmt mich persönlich am nachdenklichsten, sind die Stimmen der MEM-Industrie (Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie), welche sowohl für unseren Kanton als auch die ganze Schweiz hinsichtlich Arbeitsplätzen, Wertschöpfung, Innovation und Wohlstand von sehr grosser Bedeutung sind, im St. Galler Kantonsrat völlig untervertreten.

jg