21. Februar 2024 - dritter Sessionstag:
Pendlerabzug erhitzt die Gemüter oder: «ÖV vs. Auto»
Der dritte Sessionstag hatte es in sich: Vier Nachträge zum Polizeigesetz, Erhöhung des Fahrkostenabzugs, Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über die Krankenversicherung, kommunale statt kantonale Sondernutzungspläne für Windkraftanlagen, um nur die wichtigsten zu nennen. Das Parlament zeigte sich diskussionsfreudig. Auch heute konnte das vorgesehene Themenfeld nicht behandelt werden. Aus grünliberaler Sicht möchte ich zwei Geschäfte besonders hervorheben: den Fahrkostenabzug und die Windenergie.
Der Fahrkostenabzug erhitzt die Gemüter. Im Jahr 2015 hat die St. Galler Bevölkerung entschieden, dass der Fahrkostenabzug sowohl für Pendlerinnen und Pendler mit dem öffentlichen Verkehr als auch mit dem Auto auf die Kosten eines GA zweiter Klasse beschränkt wird. Damit sollen alle Pendlerinnen und Pendler unabhängig vom gewählten Verkehrsmittel gleich behandelt werden. Dies ist auch aus Sicht der Grünliberalen sinnvoll. Mit dem XV. Nachtrag zum Steuergesetz wurde zudem der Pendlerabzug um 600 Franken erhöht. Damit wurde auch den ländlichen Regionen Rechnung getragen, die über ein weniger gut ausgebautes ÖV-Netz verfügen und mit dieser Erhöhung den Park+Ride-Service nutzen können. So gut, so logisch, möchte man meinen. Nicht aber für die bürgerliche Mehrheit im Parlament!
Zur Diskussion standen Erhöhungen des Fahrkostenabzugs auf CHF 6'000 (Antrag Regierung), CHF 7'000 (Antrag Die Mitte), CHF 8'000 (Antrag vorberatende Kommission) und die gänzliche Streichung jeglicher Begrenzung des Fahrkostenabzugs (Antrag SVP). Man kam sich vor wie auf einem Basar. Die Argumente schwankten zwischen Ökologie und vermeintlicher Standortattraktivität. Es wurde mit Pendlerkilometern gerechnet und versucht, die Landbevölkerung gegen die Stadtbevölkerung auszuspielen - über weite Strecken war es schwer, der Debatte zuzuhören. Um es kurz zu machen - die bürgerliche Ratsmehrheit erhöht den Pendlerabzug von einem GA zweiter Klasse auf neu CHF 8'000 und schafft damit einen steuerlichen Anreiz, das Auto dem Zug vorzuziehen. Pendlerinnen und Pendler mit einem Generalabonnement bleiben auf den maximalen Fahrkostenabzug von CHF 4 460 sitzen. Die gleichen Parteien bekennen sich in ihren Programmen zur Reduktion des CO2-Ausstosses und zu den Pariser Klimazielen. Wie ist das zu verstehen?
Schon wieder gegen die Windenergie, schon wieder eine Motion der SVP! Die aktuellste Motion der SVP verlangte, dass bei Windparks nicht der Kanton, sondern die Gemeinde den Sondernutzungsplan erlässt. Damit soll den Standortgemeinden quasi ein Vetorecht bei Windkraftanlagen eingeräumt werden. Im Wesentlichen will die SVP mit dieser Motion die Windkraft im Kanton verunmöglichen, um dann bei einer Versorgungslücke den Bau neuer Kernkraft zu fordern.
Die Energiewende und die Versorgungssicherheit entsprechen aber dem Volkswillen und sind von nationaler Bedeutung. Zum angestrebten Strommix gehört neben der Wasserkraft, der Solarenergie auch die Windenergie. Wichtig ist aber - und das wurde von allen Seiten betont - dass die betroffene Bevölkerung und die Behörden vor Ort in einem echten Mitwirkungsverfahren auf dem Weg zur Realisierung von Windkraftanlagen mitgenommen werden. Regierungsrätin Susanne Hartmann betonte, dass eine zuverlässige, unabhängige und bezahlbare Stromversorgung im Interesse der gesamten Bevölkerung und der Wirtschaft liege und deshalb eine gemeinsame Aufgabe sei. Der Votant der Mitte-EVP-Fraktion meinte: «Blasen wir das Halali auf die Windenergie!» Die Mehrheit des Kantonsrates folgte ihm und lehnte die Motion mit 78:32 bei einer Enthaltung klar ab.
Etwas kurios ist die Behandlung der Motion zur «Aufhebung Kantonsratsbeschluss Brücke Luteren Ennetbühl». Im April 2021 beschloss der Kantonsrat den Abbruch und Neubau der Brücke, da eine Sanierung nicht mehr möglich, resp. viel zu teuer wäre. Dieser Entscheid war einigen Sachverständigen und hartnäckigen Bürgern der Region suspekt. Ein externes Gutachten der ETH-Lausanne zeigt nun, dass die bestehende Brücke mit modernen Erhaltungsmassnahmen für eine nächste Nutzungsdauer instandgesetzt werden könnte. Die Baukosten dafür sind gemäss Gutachten bedeutend tiefer als bei der beschlossenen Abbruch-und Neubauvariante. Man darf gescheiter werden! Folgerichtig hat der Kantonsrat einstimmig der Motion zugestimmt und damit den ursprünglichen Beschluss aufgehoben.
Am Nachmittag werden Interpellationen im Bereich des Gesundheitsdepartements behandelt. Mit einer Interpellation kann ein Parlamentarier oder eine Parlamentarierin den Regierungsrat um Auskunft und Stellungnahme zu einem bestimmten Thema bitten. Die schriftliche Antwort kann im Rat mit einem Votum von maximal drei Minuten gewürdigt werden. Erfahrungsgemäss ist dies für die anderen Kantonsrätinnen und Kantonsräte nicht sehr attraktiv. Entsprechend leerte sich der Kantonsratssaal; Kaffee und Kuchen im Ratsstübli winkten. Die wenigen verbliebenen Kantonsräte hörten den Voten mehr oder weniger interessiert zu – ein trauriges Bild.
Um 17:00 Uhr schliesst Andrea Schöb die Frühjahrssession und wünscht allen einen erfolgreichen Wahlsonntag.