Zweiter und dritter Sessionstag – das Parlament wird seinem Namen gerecht
Anlässlich der Herbstsession zu Beginn der Legislatur findet traditionsgemäss ein Ausflug des gesamten Kantonsrates, der Regierung und der Parlamentsdienste statt. Diesmal führte der Weg nach Buchs, wo verschiedene Aktivitäten angeboten wurden: Besichtigung der Justizvollzugsanstalt Saxerriet, des Schlangenhauses Werdenberg, ein Besuch bei Schöb Holzbau in Gams, Kybun in Sennwald oder der Sortengarten Frümsen standen zur Auswahl. Diese Exkursion ist nicht nur ein «Schulausflug», sondern dient auch dem Kennenlernen von verschiedenen Arbeitswelten und dem geselligen Austausch in ungezwungener Atmosphäre, was der politischen Arbeit im Rat sicher dienlich sein kann.
Fast der ganze Dienstagvormittag war dem Finanzausgleichsgesetz gewidmet. Der Finanzausgleich soll sicherstellen, dass auch steuerschwache Gemeinden ihre Aufgaben erfüllen können und die Steuerfüsse nicht zu weit auseinanderdriften. Der Regierungsbericht zeigt jedoch, dass diese Ziele verfehlt wurden. Statt einer Verringerung der Unterschiede ist die Disparität der Steuerfüsse von 77% (2013) auf 89% (2023) gestiegen. Eine umfassende Revision wäre nötig, doch der politische Wille fehlt.
Im Finanzausgleichsgesetz ist ein Sonderlastenausgleich für die Stadt St. Gallen vorgesehen, da diese jährlich 12 Mio. Franken ungedeckte Zentrumslasten trägt. Diese Belastung droht die Entwicklung der Kantonshauptstadt zu bremsen, was weder im Interesse des Kantons noch der Gemeinden sein kann. Eine starke Hauptstadt mit guter Infrastruktur ist wichtig für alle. Die Stadt St. Gallen musste viel Kritik einstecken. Die (angeblich) «Links-Grüne Ausgabenpolitik» wurde gegeisselt, ein Stadt-Landgraben wurde aufgerissen. Viele VertreterInnen von Landgemeinden, die oft lautstark Solidarität einfordern, zeigten wenig Verständnis für die Besonderheiten einer Stadt mit rund 80 000 Menschen. Nur ganz knapp bewilligte der Rat den Sonderlastenausgleich.
Viel zu reden gab auch die Standesinitiative der Fraktionen SVP, Die Mitte-EVP und der FDP, welche die Pestizidkontrolle einschränken wollte. Was ist passiert? Das Parlament hat 2021 eine Mitteilungspflicht für den Handel mit und die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln sowie den Handel von Nährstoffen beschlossen. Auslöser waren die inzwischen von der Bevölkerung abgelehnten Volksinitiativen für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung (Trinkwasserinitiative) und für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide (Pestizid-Initiative). Für die Umsetzung der Mitteilungspflicht entwickelt das Bundesamt für Landwirtschaft BLW in enger Absprache mit den künftigen Nutzerinnen und Nutzern die Webanwendung digiFLUX.
Die eingereichte Standesinitiative wollte genau diese Kontrollen unter dem populären Argument der «Bürokratievermeidung» zurückfahren. Jede Kuh ist heute besser erfasst als gefährliche Pestizide. Die Vertretung der GLP, der Grünen und der SP wollten deshalb an der geplanten Umsetzung festhalten. Der Rat sah es anders und schickt das Anliegen zur weiteren Bearbeitung nach Bern. Fortsetzung folgt …
Am Mittwochvormittag erreichte die Debattierfreudigkeit im Parlament einen neuen Höhepunkt. Eine Interpellation zum Thema «Thursanierung» erhitzte die Gemüter. Die Gefahrenkarte zeigt, dass Überschwemmungen bei einem 100-jährlichen Hochwasser im Zentrum von Wattwil zu grossen Schäden führen können. Aktuelle Meldungen aus Osteuropa und dem Wallis zeigen, dass Jahrhunderthochwasser deutlich häufiger auftreten als einmal in hundert Jahren. Ausgerechnet die Vertreter des Toggenburgs verlangten unter dem Deckmantel der «Kulturlandschaftserhaltung» eine Redimensionierung des Projekts und damit eine Schwächung des Schutzes der eigenen Bevölkerung.
Nach den Schlussabstimmungen konnte die Session bereits um 10:30 h geschlossen werden. Im Dezember steht dann das Budget 2025 auf der Traktandenliste. Angesichts der sich eintrübenden Finanzlage wird dies viel zu diskutieren geben.