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Kanton SG
16.09.2025
16.09.2025 18:40 Uhr

Franziska Cavelti Häller kommentiert die Herbstsession

Bild: wil24.ch
Vom 15. bis 17. September 2025 treffen sich die Mitglieder des St.Galler Kantonsrats zur Herbstsession. Was beschäftigt Parlament und Regierung und was wird an diesen drei Tagen entschieden? GLP-Kantonsrätin Franziska Cavelti Häller, Jonschwil, erläutert das Wichtigste aus ihrer Sicht.

St.Galler Politik: Drei Themen, ein Ziel – Zukunft sichern

16. September 2025
Energie, Bildung, Familie – gleich drei gewichtige Themen prägten die Session des St.Galler Kantonsrats. Während ein Bericht zur Wasserkraft bestätigt, dass die Reserven weitgehend ausgeschöpft sind, sorgt eine Studie zu den Volksschul-Kompetenzen für kontroverse Debatten über Leistungsstandards, Lehrermangel und Reformdruck. Gleichzeitig wird die Kinderbetreuungsförderung modernisiert – mit mehr Geld, weniger Bürokratie, aber heissen Diskussionen um Mindestpensen.

Wasserkraft im Kanton St.Gallen: Potenzial fast ausgeschöpft
Der Kantonsrat verlangte 2022 einen Bericht über zusätzliche Möglichkeiten zur Stromproduktion aus Wasserkraft. Die Regierung kommt nun zum Schluss: Das Potenzial ist begrenzt. Neue Ausleitkraftwerke könnten rund 20 GWh pro Jahr liefern, Optimierungen bestehender Anlagen weitere 12 GWh, Trinkwasserkraftwerke etwa 2 GWh – insgesamt genug für 6'500 bis 9'000 Haushalte. Damit sind die Reserven weitgehend genutzt. Deutlich grösser sind die unerschlossenen Möglichkeiten bei Solarenergie (4'300 GWh) und Windkraft (300 GWh bis 2050). Die Kommission bemängelt die hohen Kosten des Berichts – zumal von Beginn an klar war, dass das zusätzliche Potenzial für Wasserkraft im Kanton gering ist. SVP, FDP und Mitte-EVP hatten den Bericht verlangt, um ein Wasserkraftprojekt am Ellhorn voranzutreiben. Sie kritisieren ökologische Auflagen und den Gewässerschutz und wollen unsere Flüsse weiter verbauen. Noch schützt das Bundesrecht die Gewässer – und wir als GLP setzen alles daran, dass das so bleibt. Die Energiezukunft liegt in der Sonne und punktuell in der Windkraft, ergänzt durch die bereits gut ausgebaute Wasserkraft. Trotzdem hat die Regierung ein Gutachten in Auftrag gegeben, um zu prüfen, wie das Ellhorn doch noch für die Stromproduktion genutzt werden könnte. Damit drohen weitere Steuergelder zu versickern – obwohl längst klar ist, dass das Ellhorn kein geeigneter Standort ist. Sinnvoller wäre es, die Kräfte auf jene 18 Wasserkraftwerke zu konzentrieren, die das Schweizer Stimmvolk mit der Annahme des Stromgesetzes bereits festgelegt hat.

St.Galler Volksschüler bestehen Kompetenz-Check – wirklich?
Eine Studie der PH St.Gallen zeigt: Die Grundkompetenzen in Deutsch und Mathematik sind seit 20 Jahren stabil und liegen im Schweizer Durchschnitt. Der Übertritt in Mittelschulen und Berufsfachschulen gelingt mehrheitlich. Doch die Wahrnehmung klafft auseinander: Während Tests konstante Leistungen belegen, beurteilen Lehrpersonen und Ausbildende die Fähigkeiten kritischer. Ein Grund könnte sein, dass geburtenschwache Jahrgänge auch Jugendlichen mit mittelmässigen Noten den Zugang zu anspruchsvollen Lehrstellen ermöglichen. Zudem sieht die Mitte-Partei in der «Reformitis» eine Schwächung der Volksschule.
Klar ist: Die Anforderungen an Jugendliche sind gestiegen. Heute zählen Resilienz, Teamgeist und Lösungsorientierung – Kompetenzen, die selbst Erwachsene fordern. Gleichzeitig bleibt die Integrationsleistung der Volksschule unbestritten. Berufsfachschulen sollen Defizite gezielter abfedern. Immer deutlicher zeigt sich aber, dass die Schule Prioritäten setzen muss: Lesen, Schreiben und Rechnen gehören ins Zentrum. Frühfranzösisch gilt als wenig wirksam, eine Motion zur Verschiebung auf die Oberstufe liegt auf dem Tisch. Zugleich rücken soziale Faktoren in den Fokus: Jungen drohen abgehängt zu werden, der Bildungserfolg hängt stark vom Elternhaus ab. Frühförderung gilt deshalb als Schlüssel für mehr Chancengerechtigkeit.

Auch der Lehrpersonenmangel beschäftigte den Rat. Ursachen sind Pensionierungen, viele Teilzeitpensen sowie die steigende Belastung durch heterogene Klassen und individualisierten Unterricht. Vorgeschlagen werden administrative Entlastung, flexiblere Anstellungen, mehr Ausbildungsplätze – auch für Quereinsteigende –, gezielte Nachwuchsförderung, Unterstützung für Junglehrpersonen, die Anerkennung ausländischer Diplome und stärkere Schulleitungen. Einfache Lösungen gibt es nicht: Nötig sind viele kleine Schritte. Eine erste Massnahme ist die zweite Entlastungslektion für Klassenlehrpersonen. Spätestens mit der Revision des Volksschulgesetzes wird das Thema wieder auf die Traktandenliste kommen.

Mehr Geld, weniger Bürokratie: St. Gallen reformiert Kinderbetreuungsförderung
Seit Anfang 2024 unterstützt der Kanton St. Gallen die Gemeinden mit jährlich 10 Millionen Franken für familien- und schulergänzende Kinderbetreuung. Mit der Totalrevision wird nun ein einheitliches, einkommensabhängiges Vergünstigungssystem eingeführt: Eltern beantragen Zuschüsse über eine kantonale Plattform, die Beiträge werden direkt auf die Betreuungskosten angerechnet.
Ziel ist es, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu stärken, Abläufe zu vereinfachen und Anreize für hohe Erwerbspensen zu schaffen. Breite Unterstützung erhielt die Vorlage von fast allen Parteien und Gemeinden – nur die SVP lehnte sie ab, aus Sorge um Kosten, Bürokratie und das traditionelle Familienmodell.
Am meisten Streit löste die Frage nach den Mindestpensen aus: Sollen alle Eltern Anspruch haben oder nur jene mit hohen Arbeitspensen? Der Kantonsrat entschied sich schliesslich für die Variante der Regierung: 120 Prozent bei Paaren, 20 Prozent bei Alleinerziehenden – ein klassischer Schweizer Kompromiss. Weitere Anträge der SVP, welche die Vorlage für Eltern substantiell verschlechtert hätten, wurden klar abgelehnt. Damit konnte ein wichtiger Schritt gemacht werden, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu stärken. Ein echter Mehrwert für den Kanton.

Mit diesem Geschäft beendete Präsident Walter Freund den zweiten Sessionstag vorzeitig – die Fraktionen starteten zu ihrem traditionellen Ausflug. Unsere Fraktion aus SP, Grünen und GLP besuchte den Walter Zoo in Gossau und erhielt spannende Einblicke, wie sich Artenschutz, Biodiversität und Unternehmertum verbinden lassen. Ein Besuch ganz im Sinne der Grünliberalen: Wirtschaft und Umweltschutz im Einklang.

Franziska Cavelti Häller, Kantonsrätin SG, GLP