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Kanton SG
26.09.2025

Kirchenaustritte nach "Peak" weniger hoch – Herausforderung bleibt

Jährliche Austritte nach "Peak 2023" im Jahr 2024 wieder geringer. Bild: PSI
Das Schweizerische Pastoralsoziologische Institut (SPI) hat am 26. September 2025 die neuesten Zahlen der Kirchenstatistik für das Jahr 2024 vorgestellt. Nach einem aussergewöhnlichen Austrittsrekord im Jahr 2023 sind die Kirchenaustritte im vergangenen Jahr deutlich zurückgegangen. Der langfristige Trend sinkender Mitgliederzahlen bei den beiden grossen Kirchen der Schweiz hält jedoch an.

2024 traten in der Schweiz deutlich weniger Menschen aus der Kirche aus:

  • Katholische Kirche: 36’782 Austritte (–46 % weniger als 2023)
  • Evangelisch-reformierte Kirche: 32’561 Austritte (–18 % weniger als 2023)

Die aussergewöhnlich hohen Zahlen im Jahr 2023 standen im Zusammenhang mit der Publikation der Pilotstudie zum sexuellen Missbrauch im Umfeld der katholischen Kirche. Viele Gläubige hatten damals mit einem Kirchenaustritt reagiert. Obwohl die Austritte 2024 stark zurückgingen, liegen sie weiterhin leicht über dem Niveau von 2022 – ein Hinweis auf eine schleichend zunehmende Austrittsneigung in der Schweiz.

Mitgliederzahlen sinken weiter

Die beiden grossen Kirchen verlieren weiterhin kontinuierlich Mitglieder: 

  • Katholische Kirche: 2,73 Mio. Mitglieder (2023: 2,8 Mio.)
  • Reformierte Kirche: 1,78 Mio. Mitglieder (2023: 1,86 Mio.)

Hauptursachen sind neben Austritten auch demografische Faktoren wie mehr Sterbefälle als Taufen.

Rückgang bei Taufen und Trauungen

Ein weiterer Hinweis auf den strukturellen Wandel ist die abnehmende Zahl von Taufen und kirchlichen Trauungen:

  • Katholische Kirche: 13’548 Taufen (–11 %), 1’846 Trauungen (–17 %)
  • Reformierte Kirche: 7’111 Taufen (–13 %), 1’547 Trauungen (–18 %)

Der Trend deutet auf eine langfristige Erosion der Mitgliederzahlen hin, da junge Generationen die älteren Jahrgänge nicht ersetzen können – zumal ihre Bindung an die Kirche schwächer ist.

Weltweite Perspektive

Während die Mitgliederzahlen in der Schweiz zurückgehen, bleibt der weltweite Anteil der Katholikinnen und Katholiken an der Gesamtbevölkerung stabil. Wachstum verzeichnen insbesondere Regionen mit stark steigender Bevölkerung.

Fazit

Die Schweizer Kirchen sehen sich vor tiefgreifenden Veränderungen. Der Rückgang der Austritte 2024 entschärft die Situation nach dem Rekordjahr 2023, ändert jedoch nichts am langfristigen Trend: Weniger Mitglieder, weniger Taufen und Trauungen sowie eine wachsende Herausforderung, die Kirche in einer zunehmend säkularen Gesellschaft zukunftsfähig zu gestalten.

Stimmen aus den Kirchen

Die präsentierten Zahlen wurden von Kirchenvertretern eingeordnet:

Bischof Beat Grögli (SBK):
„Es hilft nichts, vor den langfristigen Trends die Augen zu verschliessen. Wir müssen uns synodal fragen: Wie wollen wir Kirche sein, wenn wir kleiner werden und weniger Geld haben?“

Urs Brosi (RKZ):
„Eine Herausforderung liegt darin, die Kirche strukturell auf das Kleinerwerden vorzubereiten. Sie soll geordnet schrumpfen und dennoch stabil bleiben – gerade weil in migrantischen Gemeinschaften die Erwartungen an die Kirche hoch sind.“

Dr. Stephan Jütte (EKS):
„Und auch wenn wir kleiner werden, bleibt unser Auftrag gross: Kirche für alle Menschen zu sein – dort, wo Sinn, Gerechtigkeit und Hoffnung gefragt sind.“

Stetig abnehmende Mitgliederzahlen - Trend noch nicht gebrochen. Bild: PSI

Kommentar:

Mitgliederentwicklung ist Herausforderung und auch Chance

Die neusten Kirchenstatistiken zeigen: Die grossen Kirchen der Schweiz verlieren weiterhin Mitglieder. Taufen und Trauungen sinken, die Austritte bleiben hoch, wenn auch nach dem Rekordjahr 2023 rückläufig. Wer nur die Zahlen betrachtet, könnte meinen: ein reines Krisenszenario.
Doch die Entwicklung ist mehr als Verlust. Sie ist auch Chance. Vielmehr fordern die Zahlen heraus, das Eigentliche deutlicher zu leben und zu kommunizieren: Sinn, Gemeinschaft und Spiritualität.
Gerade in einer Welt, die von Algorithmen und Künstlicher Intelligenz zunehmend durchrationalisiert wird, wächst der Bedarf nach dem Unkalkulierbaren: nach Hoffnung, Vergebung, Gerechtigkeit und Liebe. Hier haben Religion und gelebter Glaube einen unverwechselbaren Mehrwert.
Die Herausforderung für die Kirchen liegt darin, nicht in der Vergangenheit zu verharren, sondern den Wandel aktiv zu gestalten. Sie können ihre Rolle als gesellschaftliche Plattform neu definieren – nicht mehr aus einer Position der zahlenmässigen Dominanz, sondern aus einer Haltung der Klarheit und des Zeugnisses. Meiner Meinung nach durchaus auch aus der von Gott geschenkten Kraft der Innovation und der Kreativität.
Die Mitgliederentwicklung ist damit nicht nur ein Problem, sie soll auch ein Motivationsschub sein für eine Erneuerung hin zu neuer Stärke und Glaubwürdigkeit. 
Jürg Grau

Jürg Grau