Einfache Anfrage:
Berechnungsgrundlagen für Architektenhonorare nach SIA 102 – Transparenz, WEKO-Kritik und Anwendungspraxis in der Stadt Wil
Die Norm SIA 102 legt fest, nach welchen Grundsätzen Architektinnen und Architekten für ihre Leistungen entschädigt werden. Diese Norm steht seit geraumer Zeit in der Kritik der Wettbewerbskommission (WEKO), unter anderem wegen ihrer Ausgestaltung und Anwendung im Zusammenhang mit der Markttransparenz und Wettbewerbsgerechtigkeit. Gleichwohl dient sie im öffentlichen Bausektor weiterhin als Richtschnur für die Berechnung von Honoraren, so auch in der Stadt Wil.
Bei der Analyse eines aktuellen Projekts hat sich gezeigt, dass das Departement Bau, Umwelt und Verkehr (BuV) die Bestimmungen der SIA 102 nach veralteten oder unpräzisierten Grundsätzen anwendet. Wird davon ausgegangen, dass diese Praxis systematisch erfolgt, kann dies langfristig zu finanziell relevanten Mehrkosten führen insbesondere im Hinblick auf kommende Hochbauprojekt der Stadt Wil.
Beispielhaft genannt seien:
• Doppelkindergarten Städeli
• Wettbewerb Doppelkindergarten Matt (mit Tagesstruktur)
• Neubau Primarschule mit Doppelturnhalle Schillerstrasse
Allein beim Projekt Schillerstrasse könnten, je nach Auslegung des Berechnungsmodells, Einsparungen im mittleren sechsstelligen Bereich erzielt werden.
Honorarberechtigte Bausumme
Gemäss SIA 102 sollen bei der Berechnung der Architektenhonorare ausschliesslich jene Baukosten berücksichtigt werden, die tatsächlich aufwandbestimmend sind. Dies entspricht dem Prinzip der Leistungsgerechtigkeit und soll verhindern, dass Leistungen doppelt abgegolten werden. Wenn Fachplaner oder Ingenieure (HLKS, Elektro, Bauphysik, Bauingenieur u. a.) wesentliche Teile der Planung übernehmen, entlastet dies die Architekten und das soll konsequent in der Honorarberechnung abgebildet werden.
Aus anderen Städten ist bekannt, dass diese Fragestellung unterschiedlich gehandhabt wird. Beispielsweise wurde beim Amt für Hochbauten der Stadt Zürich über längere Zeit nur 50% der HLKS-Kosten bei der SIA 102-Honorarberechnung einbezogen, bei einer grossen Stiftung für preisgünstiges Wohnen konnten wir einen Schlüssel von 70% in Erfahrung bringen. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass das Thema zwischen Auftraggeberin, Architekturbüros und der SIA zu Diskussionen führen kann, was aber nicht abschrecken darf, ist die Stadt Wil doch ihren Steuerzahlern verpflichtet. Die Stadt Zürich hat zwischenzeitlich offenbar ein eigenes Honorarberechnungstool entwickelt, das Thema aber bleibt. Die zu erbringenden Planerleistungen variieren bei Bauvorhaben stark; es gibt einfache Vorhaben bis zu hochtechnisierten Bauten mit vielen Schnittstellen, allenfalls auch BIM.
Es bleibt deshalb im Sinne der wirtschaftlichen Mittelverwendung immer zu prüfen, wie Fachplaner- und Ingenieurleistungen eine Reduktion des Architektenhonorars (keine doppelten Honorare) rechtfertigen. Entscheidend ist eine klare, nachvollziehbare und überprüfbare Berechnungspraxis, welche die Interessen der Steuerzahlenden vertritt.
Fragen:
1. Hat das Departement Bau, Umwelt und Verkehr (BuV) recherchiert, wie andere Städte und Gemeinden die aufwandbestimmenden Baukosten bei Projekten mit verschiedenen Fachplanern und Spezialisten handhaben? Falls ja, bitte um einen Überblick. Falls dies noch nicht erfolgt ist, bitte dies noch tun.
2. Ist das BuV bereit künftig sicherzustellen, dass Architektenhonorare im Rahmen der gültigen SIA 102 und gemäss aktuellem Interpretationsstand der WEKO berechnet werden, insbesondere unter Nutzung des bestehenden Spielraums bei der Definition der aufwandbestimmenden Baukosten (u.a.)?
3. Wie gedenkt das BuV künftig Transparenz und Nachvollziehbarkeit bei der Honorarermittlung sicherzustellen, namentlich bei den genannten Projekten (Matt, Städeli und Schillerstrasse)?
o Werden künftig sämtliche Berechnungsgrundlagen (numerisch und methodisch) auf Verlangen hin der BVK offengelegt, um eine überprüfbare
Grundlage für Diskussion und politische Kontrolle zu schaffen?
4. Wurde die Honorarberechnung für die weiteren Arbeiten des Siegerteams mit der Einladung zum Wettbewerb Primarschule Schillerstrasse bereits kommuniziert und die honorarberechtigten Baukosten präzisiert? Falls ja, wie wird eine Doppelvergütung von Leistungen, insbesondere bei Leistungsschnittstellen zwischen Architekten, Fachplanern und Bauleitung, ausgeschlossen?
Wil, 29.Oktober 2025
Stefanie Marty, Stadtparlamentarierin FDP