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Stadt Wil SG
11.11.2025
11.11.2025 22:43 Uhr

Deniz Aytekin begeistert im Cinewil

Markus Rusch (r.) Leiter der SGKB-Niederlassung Wil, begrüsste Deniz Aytekin zum KMU-Profil-Abend im Cinewil Bild: Wil24
Entscheiden unter Druck, führen mit Haltung und Fehler als Chance verstehen – das waren die zentralen Themen des KMU-Profil-Abends der St.Galler Kantonalbank im Cinewil. Bundesliga-Schiedsrichter und Unternehmer Deniz Aytekin begeisterte rund 150 Gäste mit einem ehrlichen, humorvollen und sehr unterhaltsamen Referat zum Thema: Führen. Entscheiden. Menschlich bleiben.

Pünktlich um 18 Uhr eröffnete Markus Rusch, Leiter der SGKB-Niederlassung Wil, den Abend. Er erinnerte daran, dass die KMU-Profil-Veranstaltungen der St.Galler Kantonalbank mehr seien als reine Wissensvermittlung: Man schaffe Raum für Begegnung, Inspiration und neue Perspektiven. Genau das versprach auch der Referent des Abends – einer der bekanntesten Schiedsrichter Deutschlands und erfolgreicher Unternehmer – Denis Aytekin. Markus Rusch betonte die Bedeutung von Austausch und Vernetzung in Zeiten des Wandels: „KMU stehen heute unter enormem Veränderungsdruck. Umso wichtiger ist es, dass wir voneinander lernen – auch aus ganz anderen Welten, wie dem Profisport.“

Vom Bundesliga-Rasen in den Führungsalltag

Deniz Aytekin, 47, leitet seit 2008 Spiele in der deutschen Bundesliga und war bis 2022 FIFA-Schiedsrichter. Mehrfach wurde er zum „DFB-Schiedsrichter des Jahres“ gewählt. Neben seiner Schiedsrichterkarriere ist Deniz Aytekin auch ein erfolgreicher Unternehmer und hat mehrere Unternehmen mitgegründet, darunter die anwalt.de services AG und fitnessmarkt.de. In seinem Vortrag „Führen. Entscheiden. Menschlich bleiben.“ zog Aytekin eindrucksvolle Parallelen zwischen Spielfeld und Unternehmenswelt: „Auf dem Platz habe ich 22 Spieler, 75'000 Zuschauer und Millionen vor dem Fernseher. Alle haben eine Meinung. Und trotzdem muss ich in Sekunden entscheiden – mit Haltung, nicht mit Angst.“

Momente, die unter die Haut gehen: Deniz Aytekin leitete zahlreiche Topspiele – auch im DFB-Pokal – und sprach darüber, was echte Führung in Drucksituationen bedeutet. Bild: Wil24

Haltung statt Angst

Aytekin zeigte, wie Körpersprache, Fitness, Blickkontakt und Tonfall entscheidend sind, um Glaubwürdigkeit aufzubauen. Seine Spielvorbereitung ist datenbasiert – doch trotz aller Analyse bleibt der Mensch im Mittelpunkt. „Es gibt Momente, in denen die Faktenlage unklar ist. Dann entscheidet nicht die Statistik, sondern Körpersprache und Intuition der Spieler." Er erläuterte, wie Emotionen und Körpersprache Hinweise liefern, wenn Fakten fehlen: „Spieler, die schummeln, verraten sich oft durch ihren Blick oder ihre Haltung. Wer Menschen wirklich wahrnimmt, kann Situationen besser einordnen – im Fussball wie im Unternehmen.“ Vertrauen, so Aytekin, entstehe nur, wenn echtes Interesse am Gegenüber spürbar ist. Auch der Umgang mit Fehlern war Thema: „Wenn ich auf dem Platz jemanden anschreie, verliere ich ihn. Wenn ich ihn verstehe, gewinne ich ihn – auch nach einer falschen Entscheidung.“

Teamarbeit auf Augenhöhe

Ein zentraler Punkt seines Referats war die Zusammenarbeit im Schiedsrichterteam. Entscheidungen entstehen im Dialog – ähnlich wie in Unternehmen. „Wir müssen eine Atmosphäre schaffen, in der jeder seine Wahrnehmung einbringen kann, ohne Angst vor Fehlern zu haben.“ Er schilderte eindrücklich, wie Diskussionen zwischen Linienrichtern und Videoassistenten ablaufen und weshalb es trotz Technik auch Fehlentscheidungen gibt. „Wichtig ist, dass wir uns gegenseitig schützen, Verantwortung übernehmen und aus Fehlern gemeinsam lernen. Gute Stimmung im Team führt zu besseren Entscheidungen – im Fussball wie im Business.“

„Führen heisst verstehen“ – Deniz Aytekin begeisterte das Publikum mit eindrücklichen Einblicken in seinen Führungsalltag. Bild: Wil24

Lernen aus Rückschlägen

2011 wurde Aytekin zum schlechtesten Schiedsrichter Deutschlands gewählt – eine Erfahrung, die ihn prägte. „Das macht etwas mit einem. Ich hatte damals ein zu grosses Ego und habe jede Rückfrage als Angriff verstanden.“ Heute unterscheidet er zwischen funktionalem und echtem Respekt: „Viele Menschen bekommen Respekt wegen ihrer Position – das ist vertikaler Respekt. Doch entscheidend ist der emotionale, horizontale Respekt, der entsteht, wenn man Menschen aufrichtig wahrnimmt.“

Vertrauen entsteht durch Haltung

Er demonstrierte, wie er auf dem Spielfeld Emotionen wahrnimmt und deeskaliert. Diese Sensibilität, so Aytekin, sei auch in der Wirtschaft zentral: „Manchmal denke ich, die Spieler sind wie ratsuchende Menschen – sie wollen verstanden werden. Und auch Mitarbeitende spüren sofort, ob eine Führungskraft sie respektiert oder nicht. Vertrauen entsteht nicht durch Ansagen, sondern durch Haltung.“ Über seine eigenen Fehler sprach er offen: „Ich habe gelernt, dass Fehler nicht das Ende sind, sondern der Beginn von Entwicklung. Das gilt im Fussball wie in jedem Unternehmen.“ 

Mit seinem Mentor Pierluigi Collina – Vorbild in Sachen Klarheit, Haltung und Fairness. Bild: Wil24

Parallelen zwischen Sport und Wirtschaft

Nach einer Stunde intensiver Einblicke stellte sich Aytekin den Fragen des Publikums. Viele Gäste erkannten Parallelen zu ihrem Führungsalltag. Ein Teilnehmer aus der Industrie brachte es auf den Punkt: „Er redet nicht über Fussball, er redet über Menschen. Das trifft den Kern jeder guten Führung.“

Ein toller Abend

Zum Abschluss dankte Markus Rusch dem Referenten und den Gästen: „Mit Persönlichkeiten wie Deniz Aytekin gelingt es uns, Themen wie Leadership und Entscheidungsfähigkeit erlebbar zu machen.“ Führung ist keine Frage der Position, sondern der Persönlichkeit. Mit Deniz Aytekin gelang der St.Galler Kantonalbank ein Coup – ein inspirierender Spagat zwischen Sport, Wirtschaft und Menschlichkeit – ganz im Sinne des Veranstaltungsmottos: Heute Inspiration. Morgen Erfolg.

David Hugi