Gondel vs. Büro
Auf den ersten Blick mag die Zahl von 42 Luftwechseln pro Stunde gering erscheinen, doch ein Vergleich mit anderen Innenräumen rückt den Eindruck ein wenig zurecht: In einem Zugwaggon finden sieben bis 14 Luftwechsel statt; in einem durchschnittlichen Zweier-Büro sogar nur etwa ein Luftwechsel pro Stunde. In Seilbahnkabinen tragen geöffnete Fenster also klar dazu bei, das Risiko einer hohen Aerosolkonzentration zu verringern.
Doch was ist mit der Emissionsrate an Erregern? Ein kniffliger Punkt, so Lunati, weil manche Eigenschaften von Sars-CoV-2 noch ungeklärt sind. Zudem hängt der Ausstoss bekanntlich auch vom Verhalten eines infizierten Menschen ab. Atmet dieser ruhig, oder ist er vom Skifahren so angestrengt, dass er heftig schnauft? Lacht er, spricht er – und wenn ja, laut oder leise? Gute Daten dazu sind laut Lunati derzeit rar. Noch dazu sei physikalisch nicht vollständig geklärt, wie sich Tröpfchen und Aerosole in einem Raum exakt ausbreiten.
14 Prozent infiziert
Um der Wirklichkeit so nahe wie möglich zu kommen, haben die Empa-Forscher die Rechenmodelle, die für die Abschätzung von Viren-Ausstoss oft benutzt werden, verbessert und entwickelten damit ihre eigene Abschätzung. Dabei liessen sie auch die Verbreitung des Virus in der Bevölkerung mit einfliessen – also die Wahrscheinlichkeit, dass in einer Kabine ein, zwei oder sogar mehr Virusträger anwesend sind. Ein einfaches Zahlenbeispiel für eine Kabine mit fünf Menschen: Bei einer Verbreitung des Virus von 0,1 Prozent der Bevölkerung läge die Wahrscheinlichkeit, dass eine unerkannt infizierte Person anwesend ist, statistisch bei rund 1:200 – und bei 1:10'000, dass zwei Infizierte anwesend sind. Im Falle einer grösseren Verbreitung von einem Prozent der Bevölkerung wäre dieses Risiko entsprechend 1:20 für einen und 1:1'000 für zwei Infizierte.
Dass jede 100. Person infiziert ist, sei als Spitzenwert während einer Pandemie durchaus realistisch, so Lunati; es entspricht auch den Resultaten des Massentests in Graubünden. Ein real möglicher Fall, bei dem 80 Menschen eine vollbesetzte Kabine bevölkern, wäre in diesem Fall freilich schon heikler: Dann liegt die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person unerkannt infiziert ist, laut den Empa-Fachleuten bei rund 36 Prozent. Und dass zwei Passagiere infiziert sind bei rund 14 Prozent.