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Kanton SG
14.05.2021
14.05.2021 09:43 Uhr

Negative Folgen der Initiativen wären spürbar

Werden die Initiativen angenommen ist mit höheren Lebensmittelpreisen zu rechnen. Welcher Preis der Kunde bereit ist zu zahlen, liegt in seinem Ermessen. Bild: St. Galler Bauernverband
Eine Annahme der beiden Initiativen hätte nicht nur weitreichende Folgen für die Schweizer Landwirtschaft, sondern auch für die Konsumenten. Entgegen dem Kundenbedürfnis nach regionalen Produkten, würden bei einer Annahme der Initiativen weniger Lebensmittel in der Schweiz produziert und durch Importe ersetzt.

Reife Erdbeeren, knackige Äpfel und frische Salate aus der Region: Die Vielfalt in den Läden ist gross. Doch damit könnte bald Schluss sein. Mit der Annahme der beiden Initiativen sähen sich viele Bauernfamilien gezwungen ihren Betrieb oder auch einzelnen Bereiche aufzugeben. Wenn in Zukunft der Gesamtverbrauch an Nahrungsmitteln konstant bliebe, müssten mit der Umsetzung der Trinkwasserinitiative mehr Nahrungsmittel importiert werden.  

Bei einer Annahme der beiden Initiativen rechnen die Schweizer Gemüseproduzenten mit Ernteausfällen von über 25 Prozent und zusätzlichen Kosten. Bild: St. Galler Bauernverband

Regionale Produkte sind gefragt

Die Corona-Pandemie hat das Bewusstsein für Produkte aus der Region verstärkt. In einer Studie der Hochschule Luzern gaben im Juni 2020 insgesamt 92 Prozent der Befragten an, beim Kauf auf Regionalität zu achten. Auch eine Untersuchung der Universität St. Gallen bestätigt den hohen Stellenwert von regionalen Produkten. Bei gleichem Preis und anderen vergleichbaren Eigenschaften ziehen 70 Prozent der Befragten Produkte aus der Region gegenüber Produkten unbekannter Herkunft vor. Stefan Feige von der Unternehmensberatung htp St. Gallen sagt, dass in der Studie die Regionalität höher gewichtet wurde als die Herstellungsform. Die Befragten gaben an, eher regionale wie Bio einzukaufen. Für Regionalprodukte sind die Konsumenten teilweise auch bereit, mehr zu bezahlen. Denn die Konsumenten messen regionalen Produkten eine höhere Qualität bei – auch auf einer emotionalen Ebene, da viele regionale Produkte mit positiven Ferienerlebnissen in Verbindung gebracht werden.  

Obwohl Schweizer Erdbeeren sind nach wie vor beliebt sind, drücken die bevorstehenden Initiativen auf die Stimmung der Beeren- und Obstproduzenten. Bild: St. Galler Bauernverband

Strenge Regelung für Pflanzenschutzmittel

Unabhängig dem heutigen Trend nach vermehrter Regionalität richten sich die beiden Agrar-Initiativen mit extremen Forderungen an die produzierende Landwirtschaft. Die Initiativtexte lassen den Anschein erwecken, dass der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln eine beliebige Optimierungsmassnahme der Bauern ist. Dem ist nicht so: In der Schweiz ist das Ausbringen eines Pflanzenschutzmittels streng geregelt und an Vorschriften geknüpft. Ohne Pflanzenschutzmittel kommt es zu hohen Ertragsausfällen und in Schweizer Läden werden zunehmend ausländische Produkte angeboten, die mit weit weniger strengen Vorschriften produziert werden.

Für den Konsumenten würde die Annahme der Pestizidfrei- Initiative nicht nur die Lebensmittelkosten massiv erhöhen, sondern auch die Wahlfreiheit einschränken. Viele Lebensmittel, die heute in verschiedenen Labels verfügbar sind, dürften nicht mehr angeboten werden. Hinzu kommt, dass bei der Pestizidfrei–Initiative auch die sogenannten synthetischen Biozide nicht mehr zugelassen wären. Biozide sind für eine gute Stallhygiene, die Tiergesundheit sowie die Lebensmittelsicherheit unerlässlich und deshalb auch für die Landwirtschaft und die Lebensmittelindustrie von grosser Bedeutung. Mit dem Wegfall der synthetischen Biozide kommt es zu Einschränkungen bei den Desinfektions- und Reinigungsmitteln und damit zu höheren Gesundheits- und Hygienerisiken.

Abbau Arbeitsstellen in der Schweiz

Wie unlängst in den Medien zu lesen war, könnten beliebte Produkte wie beispielswies Paprika Chips in der jetzigen Form bald vom Schweizer Markt verschwinden. Die Pestizidfrei-Initiative verlangt ein Importverbot von Produkten, die mithilfe von synthetischen Pestiziden hergestellt worden sind. Darunter fallen viele Gewürze wie Paprika oder Pfeffer, die auf dem Weltmarkt kaum «pestizidfrei» zu haben sind. Ebenfalls könnten die Forderungen der Pestizidfrei-Initiative auch der Kaffee- und Schokoladenindustrie Sorge bereiten. Um den inländischen Bedarf zu decken, müsste man gemäss der Uni St.Gallen 21 Prozent des weltweit verfügbaren Bio-Kaffees und die Hälfte des Bio-Kakaos aufkaufen. Die Importauflagen zwingen die Lebensmittelhersteller, ihre Produktion ins Ausland zu verlagern und Stellen in der Schweiz abzubauen. Hinzu kommt, dass durch die Trinkwassser-Initiative in der Schweiz rund 160'000 Arbeitsplätze in der Land- und Ernährungswirtschaft direkt betroffen und gefährdet sind. Dazu gehören auch Käsereien, Metzgereien oder Mostereien.

Intensive Betriebe steigen eher aus

Das Kompetenzzentrum des Bundes für landwirtschaftliche Forschung (Agroscope) hat in einer Studie die Folgen der Trinkwasser-Initiative erarbeitet. Berechnungen zeigen, dass es für 33 bis 63 Prozent der Veredlungsbetriebe (Eier, Geflügel, Schweine) sowie für bis zu 93 Prozent der Spezialkulturenbetriebe (z.B. Früchte, Beeren) profitabler ist, ohne Direktzahlungen und mit stark verminderten ökologischen Leistungen zu produzieren, als alternativ Ertragseinbussen in Kauf zu nehmen und den Vorgaben der Trinkwasser–Initiative zu entsprechen. Die Modellrechnungen zeigen, dass mit der Umsetzung der Trinkwasser-Initiative die bereits heute relativ intensiven Betriebe eher aus dem ökologischen Leistungsnachweis (ÖLN) aussteigen und in der Folge noch weiter intensivieren würden, als die bereits extensiv bewirtschafteten Bauernhöfe. Unter den Strich hat die Trinkwasser-Initiative im Zusammenhang mit den Pestiziden einen sehr geringen, im schlechtesten Fall, wenn viele Betriebe aussteigen, sogar einen negativen Einfluss.

Für die meisten Eierproduzenten ist es nicht möglich, ihre Tiere ohne Futterzukauf zu ernähren, da sie keine Ackerflächen haben. Die einheimischen Eier würden rar und sehr teuer. Bild: St. Galler Bauernverband

Kurz zusammengefasst:

Trinkwasser-Initiativ
Die Trinkwasser-Initiative verlangt, dass nur noch diejenigen Landwirtschaftsbetriebe mit Direktzahlungen unterstützt werden, die keine Pestizide einsetzen, ohne prophylaktischen Antibiotika-Einsatz auskommen und die Tiere mit eigenem Futter ernähren können.

Pestizidfrei-Initiative
Die Volksinitiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» will den Einsatz von synthetischen Pflanzenschutzmitteln gesamthaft verbieten. Die Regelung betrifft die inländische Produktion und die Importe.  

St.Galler Bauernverband