Ein Parlament im Sparrausch – und die Folgen für die Zukunft
Der zweite Sessionstag begann mit politischer Spannung: Zwei dringliche Interpellationen sorgten für Unruhe. Die SVP stellte Fragen zur rechtlichen Grundlage kommunaler Baureglemente – mit dem klaren Ziel, Windkraftprojekte möglichst flächendeckend zu verhindern. Eine weitere Interpellation von SVP, FDP sowie Mitte-EVP wollte trotz Volks-Nein erneut Druck in Bern für die dritte Tunnelröhe in St. Gallen und den Zubringer Güterbahnhof aufbauen.
Etwas skurril wurde es bei der Debatte zur Schwerpunktplanung der Regierung, einem normalerweise kaum umstrittenen Strategiepapier. Die SVP kritisierte, die Regierung setze zu stark auf Familienpolitik (!). Zudem missbrauchte die SVP das Strategiepapier, um eine Europadebatte zu führen. Sie verlangte, die Regierung solle sich in Bern dafür einsetzen, dass das neue EU-Vertragspaket dem Ständemehr unterstellt wird – obwohl diese Frage eindeutig nicht in die Zuständigkeit des Kantons St. Gallen fällt. Dieser sachfremde Vorstoss wurde denn auch deutlich abgelehnt.
Sparen auf dem Buckel von Menschen mit Einschränkungen
Harte Einschnitte erlebte der soziale Bereich: Die Tagespauschalen der Ergänzungsleistungen bei Aufenthalt in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung werden reduziert, ein Entscheid, der sich aber als Bumerang erweisen könnte. Seit Jahrzehnten wurden die Pauschalen nicht angepasst, nun geraten wertvolle Institutionen ohne IVSE-Anerkennung zusätzlich unter Druck. Angebote beispielsweise für Suchtbetroffene oder Menschen mit Behinderung könnten wegfallen, was wiederum zu teureren Folgekosten führt. Gespart wird damit auf Kosten jener, die ohnehin nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen.
Ökologie verliert – Landwirtschaft bleibt sakrosankt
Auch die Umweltpolitik muss Federn lassen: Biodiversitätsprojekte werden gestrichen, Schutzwaldpflege reduziert, ökologische Landwirtschaftsprogramme fallen weg. Einzig die Strukturbeiträge für die Landwirtschaft bleiben unangetastet. Die Ökologie wird damit zum Sparobjekt, während die Landwirtschaft einmal mehr als „heilige Kuh“ geschützt wird.
Bildung unter Druck
Besonders tief sind die Einschnitte im Bildungsbereich. Ganze 35 Prozent der Sparlast soll er tragen. So werden zum Beispiel am Gymnasium Lektionen gestrichen – offiziell, um die Schülerinnen und Schüler zu „entlasten“. Allerdings ohne Anpassung der Lernziele, was faktisch bedeutet: weniger Unterricht, gleiche Anforderungen.
Neben der Pädagogischen Hochschule und der Universität St. Gallen geriet auch die Fachhochschule OST massiv ins Visier der Sparfüchse. Bei allen drei Institutionen soll nicht weniger als rund 19 Millionen Franken eingespart werden. Ein Kompromissantrag, wenigstens bei der OST die Kürzungen zu halbieren, scheiterte am geschlossenen Bürgerblock. Dabei war klar: Massive Einschnitte gefährden Betreuungsqualität, Forschung, Wettbewerbsfähigkeit und die Stabilität einer Institution, die sich gerade erst konsolidiert hat. Eine Halbierung wäre ein tragfähiger Mittelweg gewesen – doch er fand keine Mehrheit.
Je später der Nachmittag, desto tiefer das Niveau der Aufmerksamkeit. Voten verhallten im wachsenden Geräuschpegel. Besonders bitter: Sämtliche Bildungsmassnahmen wurden praktisch diskussionslos durchgewunken – obwohl sie weitreichende Konsequenzen haben.
Fazit: Ein Tag im Zeichen eines starren Mehrheitsblocks
Der Sessionstag endete, wie er begonnen hatte: mit dem klaren Diktat der Ratsmehrheit aus SVP, Mitte-EVP und FDP. Kompromisse? Fehlanzeige. Die Frage, die bleibt: Wohin führt ein Kanton, der Bildung schwächt, ökologische Verantwortung reduziert und sozialen Institutionen die Mittel kürzt?
Und zum Schluss dies: Trotz all der einschneidenden Sparbeschlüsse weigert sich die Ratsmehrheit, die Parkgebühren für Kantonsrätinnen und Kantonsräte zu streichen – eine Vergütung, die zusätzlich zur Wegpauschale ausbezahlt wird. Bei anderen spart man eben leichter als bei sich selbst.