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Kanton SG
04.12.2025
04.12.2025 08:11 Uhr

"Ob der Samichlaus mit dem Kantonsrat zufrieden ist?"

Sankt Nikolaus besuchte die Kantonsrätinnen und Kantonsräte in St.Gallen. Bild: zVg.
Vom 1. bis 3. Dezember 2025 trafen sich die Mitglieder des St. Galler Kantonsrats zur Wintersession. Was beschäftigt das Parlament und die Regierung und was wurde an diesen drei Tagen entschieden? Kantonsrätin Franziska Cavelti Häller, GLP, aus Jonschwil, erläutert das Wichtigste aus ihrer Sicht.

Der dritte Sessionstag ging weiter, wie der zweite aufgehört hatte: mit dem Ringen um ein verantwortungsvolles Budget.

Die Diskussion drehte sich um die Sicherheit und die Frage, wie viel sie kosten darf. Bei der Polizei werden eine Million Franken gekürzt, obwohl der lang erwartete Sicherheitsbericht noch aussteht. Sicherheitschef Christoph Hartmann versicherte, bei den Polizistinnen und Polizisten werde nicht gespart. Der Rat wird ihn beim Wort nehmen.

Während man bei der Polizei spart, lehnt der Rat gleichzeitig eine der effizientesten Massnahmen des gesamten Budgets ab: zusätzliche Verkehrsexperten, die den Prüfungsstau abbauen, die Verkehrssicherheit erhöhen und Mehreinnahmen generieren würden. Ein Angebot, das man eigentlich nur annehmen kann – ausser man möchte aus Prinzip dagegen sein. Die Mehrheit entschied sich fürs Prinzip. So bleibt der Stau von über 110’000 zu prüfenden Autos trotz Rüge des ASTRA wohl weiterhin bestehen.

Ähnlich schwierig wirkt der Umgang mit der Fanarbeit des FC St. Gallen. Fussballspiele sind längst der grösste überregionale Treffpunkt für die Jugend geworden. Dank gut funktionierender Fanarbeit konnte in den letzten Jahren trotz steigender Zuschauerzahlen und zunehmender Anzahl Matches die Sicherheit deutlich erhöht und die Gewalt signifikant gesenkt werden. Trotzdem entschied die rechte Ratsmehrheit, die Fanarbeit künftig nicht mehr aus dem Kantonshaushalt, sondern aus dem Lotteriefonds zu finanzieren. Dieser wird zunehmend zu einem Topf, der für sehr unterschiedliche Begehrlichkeiten herhalten muss.

Pflegeinitiative – ein Salto rückwärts

Die Pflegeinitiative wurde vom Volk mit überwältigenden 88,46 Prozent angenommen. Erst im vergangenen Jahr entschied der Rat über deren Umsetzung und setzte auf attraktive Rahmenbedingungen in der höheren Ausbildung. Ein Teil davon wurde nun erneut dem Sparzwang geopfert – mit der Begründung, dass unser Kanton immer noch grosszügig sei. Ob wir dennoch attraktiv genug bleiben, um die dringend benötigten Pflegekräfte zu gewinnen, wird die Zukunft zeigen.

«Sie wollen Blut sehen.»

Nach Abarbeitung aller 87 Massnahmen stand fest: Der Kantonsrat hat Sparmassnahmen im Umfang von rund 180 Millionen Franken beschlossen. Rund 80 Millionen davon werden bereits im Budget 2026 wirksam sein. Das vom Kantonsrat definierte Ziel ist damit erreicht. Doch die rechte Ratsmehrheit – um nicht zu sagen: der rechte Block – hat «Blut geleckt». Ihrer Meinung nach reichen die Sparpläne nicht aus. Sie fordert weitere Kürzungen von 60 Millionen Franken für die Budgets 2027 und 2028. Finanzchef Marc Mächler wehrte sich vergebens. «Sie wollen Blut sehen! Mit diesem weiteren Sparauftrag wird es Entlassungen geben müssen.» GLP, Grüne und SP unterstützten ihn – doch gegen den Block aus Die Mitte-EVP, FDP und SVP war kein Kraut gewachsen.

Und weiter ging es mit neuen Aufträgen: Eine umfassende Aufgaben- und Verzichtsplanung soll sämtliche staatlichen Aufgaben neu bewerten – ein gigantischer Aufwand, der Verwaltungskraft bindet, ohne sie zu verschlanken. Was nach Effizienz klingt, erzeugt jahrelange Selbstbeschäftigung, stellt politisch Gewolltes infrage und führt zu endlosen Debatten. Am Ende droht ein teures Bürokratiemonster statt einer gezielten Strukturreform. Trotzdem drückte die rechte Ratsmehrheit auch diesen Auftrag durch. Die GLP enthielt sich – aus gutem Grund.

Und als wäre der Tag nicht schon belastend genug gewesen, wurde zum Schluss auch noch das Gesetz zur familienergänzenden Kinderbetreuung versenkt. Dies wäre ein zentraler Schritt für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewesen. Statt Fortschritt kam das Ratsreferendum von EDU und SVP zustande. Nach Einsparungen von 180 Millionen Franken in Bildung, Sozialem und Ökologie zwingt dieses Referendum die Verwaltung nun zu einem weiteren teuren Abstimmungskampf, obwohl die St. Galler Bevölkerung das Geld für die Kinderbetreuung bereits an der Urne gesprochen hat.

Am Nachmittag besuchte der Sankt Nikolaus die Kantonsrätinnen und Kantonsräte und ermahnte uns, im Sinne der St. Galler Bevölkerung zu handeln. Ob er nach diesen drei Sessionstagen wohl zufrieden mit uns gewesen wäre?

Ein Parlament im Sparrausch – und die Folgen für die Zukunft

Der zweite Sessionstag begann mit politischer Spannung: Zwei dringliche Interpellationen sorgten für Unruhe. Die SVP stellte Fragen zur rechtlichen Grundlage kommunaler Baureglemente – mit dem klaren Ziel, Windkraftprojekte möglichst flächendeckend zu verhindern. Eine weitere Interpellation von SVP, FDP sowie Mitte-EVP wollte trotz Volks-Nein erneut Druck in Bern für die dritte Tunnelröhe in St. Gallen und den Zubringer Güterbahnhof aufbauen.
Etwas skurril wurde es bei der Debatte zur Schwerpunktplanung der Regierung, einem normalerweise kaum umstrittenen Strategiepapier. Die SVP kritisierte, die Regierung setze zu stark auf Familienpolitik (!). Zudem missbrauchte die SVP das Strategiepapier, um eine Europadebatte zu führen. Sie verlangte, die Regierung solle sich in Bern dafür einsetzen, dass das neue EU-Vertragspaket dem Ständemehr unterstellt wird – obwohl diese Frage eindeutig nicht in die Zuständigkeit des Kantons St. Gallen fällt. Dieser sachfremde Vorstoss wurde denn auch deutlich abgelehnt.

Sparen auf dem Buckel von Menschen mit Einschränkungen
Harte Einschnitte erlebte der soziale Bereich: Die Tagespauschalen der Ergänzungsleistungen bei Aufenthalt in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung werden reduziert, ein Entscheid, der sich aber als Bumerang erweisen könnte. Seit Jahrzehnten wurden die Pauschalen nicht angepasst, nun geraten wertvolle Institutionen ohne IVSE-Anerkennung zusätzlich unter Druck. Angebote beispielsweise für Suchtbetroffene oder Menschen mit Behinderung könnten wegfallen, was wiederum zu teureren Folgekosten führt. Gespart wird damit auf Kosten jener, die ohnehin nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen.

Ökologie verliert – Landwirtschaft bleibt sakrosankt
Auch die Umweltpolitik muss Federn lassen: Biodiversitätsprojekte werden gestrichen, Schutzwaldpflege reduziert, ökologische Landwirtschaftsprogramme fallen weg. Einzig die Strukturbeiträge für die Landwirtschaft bleiben unangetastet. Die Ökologie wird damit zum Sparobjekt, während die Landwirtschaft einmal mehr als „heilige Kuh“ geschützt wird.

Bildung unter Druck 
Besonders tief sind die Einschnitte im Bildungsbereich. Ganze 35 Prozent der Sparlast soll er tragen. So werden zum Beispiel am Gymnasium Lektionen gestrichen – offiziell, um die Schülerinnen und Schüler zu „entlasten“. Allerdings ohne Anpassung der Lernziele, was faktisch bedeutet: weniger Unterricht, gleiche Anforderungen.
Neben der Pädagogischen Hochschule und der Universität St. Gallen geriet auch die Fachhochschule OST massiv ins Visier der Sparfüchse. Bei allen drei Institutionen soll nicht weniger als rund 19 Millionen Franken eingespart werden. Ein Kompromissantrag, wenigstens bei der OST die Kürzungen zu halbieren, scheiterte am geschlossenen Bürgerblock. Dabei war klar: Massive Einschnitte gefährden Betreuungsqualität, Forschung, Wettbewerbsfähigkeit und die Stabilität einer Institution, die sich gerade erst konsolidiert hat. Eine Halbierung wäre ein tragfähiger Mittelweg gewesen – doch er fand keine Mehrheit.
Je später der Nachmittag, desto tiefer das Niveau der Aufmerksamkeit. Voten verhallten im wachsenden Geräuschpegel. Besonders bitter: Sämtliche Bildungsmassnahmen wurden praktisch diskussionslos durchgewunken – obwohl sie weitreichende Konsequenzen haben.

Fazit: Ein Tag im Zeichen eines starren Mehrheitsblocks
Der Sessionstag endete, wie er begonnen hatte: mit dem klaren Diktat der Ratsmehrheit aus SVP, Mitte-EVP und FDP. Kompromisse? Fehlanzeige. Die Frage, die bleibt: Wohin führt ein Kanton, der Bildung schwächt, ökologische Verantwortung reduziert und sozialen Institutionen die Mittel kürzt? 

Und zum Schluss dies: Trotz all der einschneidenden Sparbeschlüsse weigert sich die Ratsmehrheit, die Parkgebühren für Kantonsrätinnen und Kantonsräte zu streichen – eine Vergütung, die zusätzlich zur Wegpauschale ausbezahlt wird. Bei anderen spart man eben leichter als bei sich selbst.

Franziska Cavelti Häller, Kantonsrätin SG, GLP
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