Wildes Bubentreiben
Auch in der Äbtestadt waren in vergangenen Jahrhunderten finstere Gestalten unterwegs. Es gilt zu bedenken, dass es im alten Wil in der Nacht kaum beleuchtete Gassen gab, die Stimmung war unheimlich. Die Ruhestörer waren verkleidete Buben und Burschen, die in den Nächten vor dem Nikolaustag lärmend umherzogen. Dabei verwendeten sie auch Schellen, in der Innerschweiz hat sich dieser Brauch bis heute erhalten. Auch er hat seine Ursprünge in der Vertreibung von Unheil bringenden Dämonen. In Wil überbordete das Chlaus-Treiben der gelegentlich so sehr, dass sich die Obrigkeit beschwerte. Laut Wiler Ratsprotokoll von 1510 wurden «viele junge Gesellen» von der damaligen Stadtregierung gerügt. Sie hatten Karren in die Brunnen geworfen, Fässer in den Weg stellt und mit Seilen die Strassen versperrten. Diese Streiche verübten sie nicht nur um den Nikolaustag, sondern auch in der Silvesternacht.
Apropos Behörden: 1581 wurden 18 Männer gebüsst, weil sie am Weihnachtsmorgen in einem Wiler Wirtshaus die «Morgensuppe» eingenommen hatten, damit war ein Frühschoppen mit Wein oder Schnaps gemeint, der gemäss Sittenmandat verboten war.
Furchterregende Ahnen
Historikerin Bless-Grabher vermutet hinter dem oben erwähnten Schabernack der Wiler Burschen mehr als jugendlicher Übermut: «Möglicherweise stand hinter solchem Unfug ursprünglich eine Nachahmung oder Abwehr der wilden Totendämonen.» In den Nächten zwischen Weihnachten und Dreikönig waren laut Bless-Grabher nach altem Glauben die Geister der Toten unterwegs, angeführt vom germanischen Gott Wotan, der als Totengott gilt; sie sind auch als Raunächte bekannt.
Mit Klopfen an Fensterläden, Schellen schwingen und Geschirr zerschlagen und anderem nächtlichem Lärm sollten gemäss Bless-Grabher einerseits die Dämonen in die Flucht geschlagen, andererseits die im Winterschlaf erstarrte Vegetation aufgeweckt werden.